Montag, 8. Oktober 2012

Portomarin

Hola zusammen,

ich schreibe euch heute aus Portomarin, einem Dorf in Galicien, dessen Ruinen wir heute in den Resten des Stausees bewundern konnten, der beim letzten Mal, als ich hier war, voll gefuellt war.

Das urspruengliche Dorf musste dem Stausee weichen und nun gibt es ein neueres Dorf oberhalb des Stausees. Die Kirche wurde Stein fuer Stein wieder aufgebaut und damit auch alles passt,  sind alle Steine numeriert.

Gestern Abend hatten wir in Sarria in der Altstadt (die eigentlich nur aus einer langen Gasse besteht) soviel Spass, dass ich mich nicht aufraffen konnte, noch zu bloggen.
Es spielte Real Madrid gegen den FC Barcelona. Meine Guete war da was los. Die Einheimischen waren fuer Barcelona und die spanischen Pilger ueberwiegend fuer Madrid. Wir haben uns kaputtgelacht, wie die Spanier abgegangen sind. Aber es war alles friedlich, nur halt meeeegalaut und jedes Tor wurde erstmal eine Viertelstunde lautstark ausdiskutiert.

Der Kellner war voellig ueberfordert, dass seine Bar auf einmal so voll war und auf dem Platz vor der Bar alle standen und auch noch essen und trinken wollten. Bis das Essen kam, dauerte es so manches mal schon eine Stunde. Wahrscheinlich kam der Koch nicht vorm Fernseher weg ;-)
Wir haben noch einige Pilgerfreunde in Sarria wiedergetroffen und haben dann nett beim Vino tinto und Cerveza zusammengesessen. Unsere japanischen Mitpilger Momo und Juschin (keine Ahnung, ob ich das richtig geschrieben habe) haben uns zwei Origamivoegel als Andenken geschenkt. Absolut winzig. Unglaublich, dass man soooooo klein falten kann.

Die gestrige Etappe war landschaftlich wunderschoen. Wir sind im Dunkeln aus unserem Pilgerpalast aufgebrochen um unser Fruehstueck mit Blick auf das Kloster Samos einzunehmen.
Dort sind wir mit zwei amerikanischen Freundinnen so dermassen ins Quatschen gekommen, dass wir uns richtig aufraffen mussten, weiterzulaufen. Die beiden waren wirklich zu lustig. Eine von ihnen war zum Camino aufgebrochen und die andere hat ihr dann nach ein paar Tagen eine sms gesendet mit den Worten: "bin am 30.09. da, warte auf mich" und so haben die beiden sich auf dem Camino getroffen und laufen nun gemeinsam weiter. Sie machen sich daraus einen Riesenspass und fragen wirklich jeden aus, warum er auf dem Camino unterwegs ist. Die Geschichten hoeren sie sich dann an und kriegen sich vor Begeisterungsrufen ueberhaupt nicht mehr ein. " Wonderful, how romantic, oooohhhhhh, how sad......." Zum Schiessen die beiden.
Linda (das ist die Freundin, die nachgeflogen ist) befuerchtete gestern schon, dass sie wieder ein Taxi nehmen muessten, weil ihre Freundin Bobbie nicht aus dem Quatschen rauskommt und ihre Rucksaecke aber schon in der naechsten Herberge standen.

Guido und ich sind dann weitergezuckelt und haben die Landschaft genossen. Man kommt durch viele kleine urspruengliche Doerfer oder Einzelhoefe und man geht durch unberuehrte Natur. Einfach herrlich. Leider war die Luft sehr schwuel, so dass ich schniefend (immer noch Erkaeltung) und schnupfend die Steigungen hochgekrochen bin. Es war sooooo warm. Aber ich darf mich ja nicht beschweren. Ich habe gehoert, in Deutschland regnet es und ist saukalt.

In Sarria haben wir dann die erste Herberge genommen, die ein Bett frei hatte. Was wir haben, das haben wir (dachten wir). Leider haben wir nicht beruecksichtigt, dass diese Herberge nur 1 Toilette fuer 20 Leute hatte und die war so klein, dass zwischen Klo und Wand ca. 30 cm Abstand war. Sehr schoen fuer grosse Leute ;-). Aber sauber war es und das ist das Wichtigste. Man sieht immer mehr Pilger mit Bettwanzenbissen.
Das waere echt der Horror.
Heute Morgen wurde ich dann von einer Mitpilgerin angesprochen, ob ich etwas in der Herberge vergessen habe. Jemand haette sie gefragt, der mit uns dort uebernachtet hatte. Er haette noch etwas gefunden.
Ich verneinte, doch als ich vorhin meinen Rucksack ausgepackt habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Sch...., ich hatte meinen BH auf der Leine haengen lassen (keine Angst, ich habe noch Ersatz ;-)), weil das das einzige Teil war, was nicht in die Maschine und den Trockner gewandert ist.
Gerade habe ich sie wiedergetroffen und sie lachte und sagte:"Ja, es war ein BH", leider ist derjenige, der ihn gefunden hat, schon weitergelaufen, weil er hier kein Bett bekommen hat.
Nun laeuft ein William aus England mit meinem BH ueber den Camino. Da er weitergelaufen ist, wird mein BH wahrscheinlich eher in Santiago ankommen, als ich. Ich koennte mich wegkringeln.

Auch wir tragen seit Tagen eine Sonnenbrille mit uns herum., die wir gefunden haben. Als wir dachten, wie haetten die Eigentuemerin gefunden, sagte sie nur, dass die Sonnenbrille schon da gelegen hat, als sie in die Albergue kam. Schade....so werden wir die Eigentuemerin wohl nie finden.

Aber es gibt auch schoene Geschichten vom Verlieren und Wiederfinden. Jessie hatte einen Wanderstock, den sie Dante genannt hat. Eines Morgens in der Albergue war Dante weg (die Stoecke stehen oft gesammelt in einer Art Riesenvase). Jessie war soooo traurig und sagte immer nur "Where is Dante?" Im naechsten Ort am Ortseingang stand Dante an einem Baum mit einem Zettel.
Auf dem Zettel eine Entschuldigung, dass derjenige versehentlich den falschen Stock genommen hat und er hofft, dass der Stock wieder zu seinem richtigen Eigentuemer kommt.

Das ist Camino live :-)

So langsam aber sicher naehern wir uns Santiago. Es sind keine 100 km mehr und so langsam aber sicher, kann ich das Pilgern auch wieder geniessen. Dieses Mal ist es mir wirklich sehr schwer gefallen in den "Pilgermodus" zu kommen. Ich empfinde den Camino dieses Mal eher touristisch.
Die letzten 100 km sind es sowieso. Es sind wieder Massen unterwegs. Bei den Spaniern ist es guter Brauch die letzten 100 km nach Santiago zu gehen, um die Compostela zu bekommen.
Entsprechend voll ist es jetzt. Ich habe gehoert, dass spanische Firmen sogar bei Einstellungen darauf achten, ob der Bewerber/die Bewerberin den Camino gegangen ist.

Grundsaetzlich kein schlechtes Kriterium, aber dann nur fuer die, die mehr als 100 km gegangen sind.
Wenn man weiss, dass jemand sich sagen wir mal mind. 300 bis 400 km durchgeschlagen hat, dann zeugt das zumindest schon mal von Durchhaltevermoegen und Organisationstalent.
Vielleicht sollten wir das in Deutschland auch mal einfuehren ;-)

Unsere groesste Freude heute war, dass wir Jessie und Jamie wiedergetroffen haben. Sie sassen einfach auf einer Mauer am Strassenrand. Das war ein Wiedersehen! Gekreische, Gejubel, Umarmungen.
Absolut grossartig. Ich habe die beiden sooooo vermisst. Sie sind uns total ans Herz gewachsen.

Wenn alles klappt werden sie uns noch Ende Oktober besuchen kommen. Sie sind in Hamburg und von dort aus ist es ja quasi nur ein Katzensprung. Sie haben ja viel Zeit Europa zu entdecken und dann in England oder Schottland einen Job zu suchen.

Heute Abend werden wir von Ihnen bekocht. Total suess.
Jamie hat mir auch gerade sein Notebook geliehen, deswegen kann ich so entspannt den Post schreiben.

Der Arme muss die ganze Zeit sein Notebook mitschleppen, da er noch eine Abschlusspruefung fuer sein Schauspielstudium schreiben muss und das wird stattfinden, wenn er mit Jessie noch in Barcelona ist. Er muss Urheberrecht auf dem Camino pauken, der Aermste.

Ich schaue mal, ob es hiermit klappt, ein paar Fotos hochzuladen. Oh, es klappt.
Also hier die Erlaeuterungen.
Der uralte Baum, den Guido und ich umarmen, ist die alte Kastanie in Ramil. Sie soll lt. Schild 800 Jahre alt sein, lt einiger Reisefuehrer 1.000 Jahre alt und lt Reisefuehrer einer Mitpilgerin 1.700 Jahre. Sucht euch also ein Alter aus.

Dann gibt es ein Foto vom Kloster Samos.

Eine alte, verlassene, schaurig-schoene Muehle.

Der Kilometerstein 99 (noch 99 km bis Santiago, aber lt Reisefuehrer stimmen die Markierungen nicht ganz)

Bauernhofidylle. Der Hof heisst Sivil / wie sympathisch

Die Origamivoegel

Abendessen in Sarria mit unseren Mitpilgern Momo, Jutschin und Annie

Guido beim Fussballgucken

Jessie mit den Einkaeufen fuer unser sicherlich wundervolles Abendessen heute Abend



Ultreia

Silla





































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