Samstag, 10. November 2012

Santiago

Hola zusammen,

wir grüßen nun wieder aus der Heimat. Es ist herrlich, wieder im eigenen Bett zu schlafen und keine schimmeligen Zimmer mehr bewohnen zu müssen.
Andrerseits haben uns nun auch sämtliche Verpflichtungen des Alltags wieder. Die Rechnungen liegen im Briefkasten, der Wecker klingelt morgens und es gibt unglaublich viel Wäsche, die man waschen und bügeln muss, weil man ja jetzt wieder freie Auswahl im Kleiderschrank hat ;-).

Carmen hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass der Blog in Lavacolla endet. Ich war eigentlich fest der Meinung, dass ich aus Santiago noch gepostet hatte, aber es war ziemlich schwierig mit dem Wifi in unserer Unterkunft, so dass der Post wahrscheinlich im Nirwana verschwunden ist. Das ist natürlich gemein, dass ich euch das Ziel vorenthalte. Vielleicht habe ich auch einfach gedacht, ich hätte schon gepostet, aber dann doch nur bei Facebook etwas eingestellt. Ja ja....die neuen Medien überfordern mich einfach ;-)).

Also geht es jetzt weiter mit den Erzählungen.

Wir sind aus Lavacolla früh aufgebrochen, um die letzten 10 km bis Santiago zu laufen. Es war noch stockfinster.

Wir waren ziemlich übermütiger und ausgelassener Stimmung. Endlich das Ziel vor Augen und dann noch passend zum 12.10. dem Todestag von Guidos Mutter und zur Pilgermesse um 12 würden wir es auch noch
schaffen.

Es war schon ein komisches Gefühl, wieder in Santiago einzulaufen. Ich hatte ganz vergessen, dass sich die Strecke vom Monte do Gozo, dem Berg der Freude 5 km vor Santiago so zieht. Man kann vom Monto do Gozo das erste Mal die Kathedrale sehen, deswegen heißt er auch Berg der Freude. Bei uns lag Santiago unter einer dichten Nebelschicht, die Kathedrale konnte man aber dennoch sehen. Das ist schon ein erhebendes Gefühl.

Als wir dann endlich vor der Kathedrale standen, war es ein bisschen wie "Nachhausekommen". Wir haben ganz schnell unsere Rucksäcke in die Pension gebracht und sind dann in die Pilgermesse.
Was wir nicht bedacht hatten war, dass der 12.10. in Spanien ein Nationalfeiertag ist und zudem noch irgendein Marienfeiertag, so dass in der Messe sage und schreibe 80 Priester anwesend waren und so ziemlich jeder Heilige, den die katholische Kirche zu bieten hat, angerufen wurde. Die Priester prozessierten durch die Kathedrale und die Messe hat 2 1/2 Stunden gedauert. Natürlich hatten wir keinen Sitzplatz und haben uns mit vielen anderen einfach irgendwo in der Kathedrale auf den Boden gesetzt.
Die Füße taten weh und man konnte einfach nicht mehr stehen.
Ein wirklich erhebendes Gefühl hat sich allerdings bei mir überhaupt nicht eingestellt. Eher befremdlich.

Nachdem wir die Messe "überstanden" hatten sind wir zum deutschen Pilgertreff gegangen. Das ist eine Initiative des Bistums Rottenburg/Stuttgart, wo Ehrenamtliche die ankommenden, deutschsprachigen Pilger in Santiago nach der Messe zu einem Beisammensein und Austausch einladen.
Das war sehr bewegend und schön. Wir haben mit Pilgern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengesessen und jeder hat von seinem Weg und seinen intensivsten Erlebnissen gesprochen.
Wir konnten nicht mit wirklich intensiven Erlebnissen beitragen, da wir noch ein wenig von dem touristischen Touch gefrustet waren, den dieser Weg diesmal für uns hatte. Aber je länger wir darüber geredet haben, desto mehr rückten auch bei uns die schönen Erlebnisse wieder in den Vordergrund.

Da wir nun schon am 12.10. in Santiago waren, hatten wir noch geschlagene 4 Tage Zeit, bis mein Flieger nachhause ging. Die Überlegung nach Finisterre zu laufen, haben wir schnell ad acta gelegt. Angesichts meiner Fußprobleme und der Wettervorhersage für die darauffolgenden Tage (Regen Regen Regen).

Wir sind dann durch Santiago gestromert, haben uns die Museen angeschaut, die netten Bars ausprobiert und sind tatsächlich noch zweimal in verschiedene Messen in der Kathedrale gegangen, die dann sehr schön waren, obwohl wir natürlich kein Wort verstanden haben, aber die Athmosphäre ist sehr schön.
Die Kathedrale ist für uns nach wie vor ein magischer Ort. Allein die Vorstellung, dass hier seit 1000 Jahren Pilger mit allen ihren Anliegen, Wünschen, Sehnsüchten und Bitten unter beschwerlichsten Bedingungen hingepilgert sind, ist schon faszinierend. Früher mussten die Pilger aus dem Steinbruch auch immer einen Stein für den Kathedralenbau nach Santiago mitnehmen. Sozusagen ist die Kathedrale auch auf dem Schweiß der Pilger aufgebaut. Schon faszinierend.

Nach zwei Übernachtungen haben wir auch das Quartier gewechselt und sind von unserer Privatpension in das Seminario Mayor San Martin Pinero (http://www.sanmartinpinario.eu/) umgezogen. Das ist ein altes Kloster, das zum Hotel umgebaut wurde. Netterweise haben sie einen Extratrakt für Pilger, in dem man günstige Pilgerzimmer (EZ 23 € und DZ 40 €) bekommen kann. Bei den Zimmern handelt es sich zwar um spartanisch eingerichtete Klosterzellen, aber sauber mit frischer Bettwäsche und Frühstücksbuffett.
Was will man mehr. Direkt gegenüber der Kathedrale und man wird morgens von der gigantischen, dunkeltönigen Glocke der Kathedrale geweckt. 

Einen Spontanausflug nach La Coruna haben wir dann doch noch gemacht. Wir dachten so ein Tag am Meer ist doch auch mal ganz schön. Leider haben wir falsch gedacht. Wir sind wie blöd durch die Stadt gelaufen.
Kein schöner Strand, nur stinkiger Verkehr und ein Strand inmitten von Hochhäusern. Wir haben dann noch den Herculesturm (http://de.wikipedia.org/wiki/Herkulesturm) besichtigt und schnell den Rückweg nach Santiago angetreten. Wie kann man städtbaulich eine so schöne Lage direkt am Meer so verschandeln. Grauenhaft.
Ich war froh, als wir wieder in Santiago waren.
Am Montag haben wir dann noch den Geburtstag unseres Caminoadoptivsohnes Jamie in einer Tapasbar gefeiert und dienstags hieß es dann für mich Abschied nehmen.

Dieses Mal fiel mir das Abschied nehmen allerdings sehr leicht. Ich war körperlich wirklich fertig und wollte einfach nur noch in mein eigenes Zuhause, mein Bett, meine Badewanne. Die Heizung andrehen können, überhaupt eine Heizung zu haben....welch ein Luxus. Eine Dusche ohne Schimmel.....welch ein Luxus.

Das ist sehr schön. Man weiß die einfachen, oft als selbstverständlich hingenommenen alltäglichen Dinge wieder richtig zu schätzen.

Auf dem Jakobsweg habe ich gesagt, dass ich die nächsten zwei Jahre keinen Camino mehr gehe.
Nun sind wir schon einige Zeit wieder zu Hause und was stellt sich ein......richtig! Die Sehnsucht nach dem Camino. Ich glaube, das wird nie enden.....

Ultreia

Silvia




Donnerstag, 11. Oktober 2012

Lavacolla

Hola zusammen,
wir grüßen aus Lavacolla (manchmal auch Labacolla geschrieben). Wir haben es tatsächlich geschafft heute als erste in der Albergue aufzustehen, um früh unsere 33 km Etappe zu starten. In der Bar vor Ort gab es schon ab 6:45 Uhr Frühstück und frisch gestärkt haben wir uns dann im Regen auf den Weg gemacht. Gerade als wir losgehen wollten, haben wir noch David und Jim getroffen. David hat uns dafür gelobt, dass er auf dem ganzen Camino niemanden erlebt hat, der sooooo leise aufgebrochen ist. Damit gehören wir definitiv nicht zu den Tütenterroristen (das sind diejenigen, die mit Plastiktütengeraschel den ganzen Schlafsaal wecken) und auch nicht zu den Beleuchtern (diejenigen, die mit der Stirnlampe auf dem Kopf beim Packen den Schlafenden ins Gesicht leuchten). Sehr erfreut über dieses dicke Lob haben wir uns dann auf den Weg gemacht. Es ging wieder viel über Kieswege mit sehr dicken Kieselsteinen, so dass meine Füße sich schon nach ca 2 Std zu Worte meldeten. Autsch. Als dann noch der galicische Dauerregen einsetzte, war der Tag gerettet;-) Wir haben uns aber nicht die Laune davon verderben lassen, sondern haben die riesigen Eukalyptuswälder genossen, durch die wir heute gewandert sind. Diese Bäume sind einfach unglaubig riesig und sie duften soooooo gut. Nicht nach Eukalyptusbonbon, sondern herrlich holzig würzig. Wir konnten uns gar nicht sattsehen und hatten die Hälfte der Zeit den Kopf im Nacken, um diese unglaubliche Größe zu bestaunen. Allerdings sind diese Wälder mittlerweile ein ökologisches Problem, weil sich die Bäume so ausbreiten und den Grundwasserspiegel absenken. Was wir heute allerdings überhaupt nicht verstehen konnten, denn bei dem Regen, der hier fällt, müsste eigentlich ein zu hoher Grundwasserspiegel das Problem sein. Unterwegs haben wir wieder unsere beiden amerikanischen Girls Bobbie und Linda getroffen, die sich wirklich tapfer schlagen. Wir hatten ein nettes Mittagspäuschen mit ihnen und sind dann wieder weiter. Ich dachte, wir kommen nie an. Es zog sich endlos hin. Alles tat weh, der Regen prasselte und meine einzige Vorstellung war ein schönes warmes Bett. Irgendwann standen wir dann tatsächlich vor unserem Hostal. Das Zimmer sehr sauber. Das Bett ok, nur keine Möglichkeit, die Wäsche zu waschen. Also habe ich erst mich geduscht und dann unter der Dusche die Wäsche gewaschen. Wir haben den unglaublichen Luxus eines funktionierenden Heizkörpers. Der fungiert nun als unser Wäschetrockner ;-) Als die Wäsche hing, sind wir völlig erschöpft in die Federn gesunken. Der schönste Teil des Wandertages. Der Erschöpfungsschlaf :-) Nun hatten wir ein fettreiches Abendessen (hier gibt es keine große Auswahl) und werden gleich in den Erholungsschlaf fallen.
Ich versuche mal ein paar Fotos hochzuladen. Ich hoffe, die Qualität reicht, denn ich habe einige von der Digicam abfotografiert.

Morgen werden wir dann nur noch 10 km laufen müssen und vor der Kathedrale von Santiago stehen. Unglaublich. Dieser Camino hat mich, obwohl er deutlich kürzer war, als der erste Camino, doch wesentlich mehr Kraft gekostet. Ich glaube, es fehlte einfach an dem Pilgergefühl. Das hat sich erst seit wenigen Tagen eingestellt. Der Camino ist aber auch nicht mehr so, wie er letztes Mal war. Im Moment empfinde ich ihn nur als touristisch. Jeder macht sein Ding und kaum jemand versteht sich wirklich als Pilger. Ich habe mit vielen gesprochen, die diesen Weg das erste Mal gehen. Als ich von unseren Erlebnissen 2010 erzählt habe mit gemeinsamen Singen, liebevollen Hospitalieros, gemeinsamen Pilgermessen etc. haben sie mich nur ungläubig angeguckt. Auch ich habe diesmal nur 1 Pilgermesse mitgemacht. Danach war ich völlig genervt, weil die "Caminotouristen" während der Messe dauernd mit piepsenden Kameras fotografierten. Das ist die Kehrseite des Camino. Nichts desto trotz hat er noch sehr sehr viel von seiner Magie behalten und es sind immer noch sehr viele wundervolle Menschen unterwegs.

Alles Liebe und ultreia

Silla

P.S: hatte ich erwähnt, dass ich meine erste Blase habe? ;-)

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Ribadiso

Hola zusammen,

langsam wird es ernst. Wir naehern uns tatsaechlich Santiago. Nur noch ca. 43 km.

Heute hatten wir einen langen Marsch von 27 km zur privaten Herberge hier in Ribadiso. Es ist so witzig. Wir schlafen schon wieder im Bett neben David und Jim. Zwei Rentnern aus Amerika.
Sehr liebe Menschen. David haben wir bereits in Cacabelos kennengelernt und staendig treffen wir uns in irgendwelchen Albergues wieder. Und witzigerweise bekommen wir immer Betten nebeneinander.

Als die Hospitalera uns heute unseren Schlafraum gezeigt hat, gab es natuerlich grosses Gelaechter.
Sie hat uns ganz verwundert angeguckt, aber keiner konnte ihr auf spanisch erklaeren, warum wir uns mit so einem Riesenhallo begruessten.

Wir sind heute tatsaechlich 2 km vorm Ziel nochmal richtig nass geworden. Den ganzen Tag war es nieselig, aber gut auszuhalten. Eher schoen angenehm beim Laufen. Aaaaber dann, dann hat der galicische Regen doch nochmal richtig zugeschlagen und ein Wolkenbruch hat uns beim Endspurt noch total durchnaesst.

Wir haben heute uebrigens den beruehmtesten Pulpo (das ist Krake - kein Tintenfisch) von Galicien probiert. Die Pulperia Ezechiel in Melide ist schon eine Institution. Man fuehlt sich irgendwie wie in einer Bahnhofswartehalle. Als wir dann zugesehen haben, wie der Koch dem armen Kraken die Tentakel mit einer Schere in mundgerechte Stuecke zerschnitten hat, kam es uns fast schon hoch.

Oh Mann....aber probieren muss man es. Es gehoert einfach dazu und bei unseren letzten Caminos hatten wir das ausgelassen (warum nur???). Ich hatte gehofft, ich kann ein Stueckchen probieren und mich dann damit rausreden, dass ich wegen meiner Erkaeltung ohnehin keinen Geschmack habe, aber wider Erwarten hat das Ganze richtig gut geschmeckt. Allerdings haben wir nur die Stuecke gegessen, die nicht wirklich wie lange Tentakel aussahen. Die beiden langen Tentakel haben wir nicht durch den Hals bekommen. Wir sind wohl doch nicht die Pulpoprofis ;-)

Nun ist passiert, was Jessies groesster Horror ist. Sie hat sich letzte Nacht in dem Hotel Bettwanzen geholt.
Im Moment dekontaminieren wir gerade alle ihre Sachen und die Aermste huepft eingehuellt in eine Bettdecke durch die Herberge. Wir haben gestern die Schluessel fuer die Zimmer ausgelost. Es haette also genausogut uns treffen koennen. Hoffentlich kommen wir bedbugs free nach Santiago (bedbug ist das englische Wort fuer Bettwanzen).

Morgen werden wir ueber 33 km laufen muessen, denn wir haben unser Zimmer 10 km vor Santiago gebucht, weil wir am 12.10. mittags in Santiago sein wollen. Das ist der Todestag von Guidos Mutter und wir dachten uns, dass es schoen waere, an so einem Tag im Pilgergottesdienst ihrer zu gedenken.

Das bedeutet aber, dass wir morgen diese laaaange Strecke machen muessen. Manch einer wird schmunzeln und sagen 33 km, was ist das schon. Ein Marathon ist 42 km. Aber man unterschaetzt die Belastung durch den Rucksack und die unebenen Wege. Ich habe mich just heute Morgen mit einem sehr durchtrainierten, sportlichen, oesterreichischen Marathonlaeufer unterhalten. Er erzaehlte mir, dass er seinen Kumpel ausgelacht hat, als dieser mit ihm fuer den Camino trainieren wollte und mit ihm um den Wolfgangsee gehen wollte. Er ist dann mitgegangen und musste sich die letzten 3 km von seiner Schwester im Auto fahren lassen, weil er keinen Schritt mehr gehen konnte.
Er hat gesagt, dass er es niemals fuer moeglich gehalten haette, wie anstrengend das Caminogehen ist.

Ich bin natuerlich sofort 3 Koepfe groesser geworden.....die kleine Silla sooooo tapfer auf dem Camino und das schon das zweite Mal ;-)))))) Na ja...er wusste ja nicht, wie oft ich die Entscheidung zu gehen dieses Mal schon verflucht hatte......

Eine sehr schoene Begegnung hatten wir heute noch. Wir kamen an einer sehr alten Kirche (ups...alle Kirchen hier sind sehr alt) vorbei und ein alter Priester mit einer unheimlich guetigen ausstrahlung (sorry; das grosse a funktioniert nicht) kam auf mich zu und nahm mich bei den Haenden. Er redete ganz lieb mit mir und gab mir dann einen Stempel in meinen Pilgerpass und ein ganz schoenes Gebet.

Fuer Jessie und Jamie habe ich es noch auf Englisch bekommen. Da ging uns echt das Herz auf.
Einfach nur schoen.

Leider ist meine Internetzeit schon zuende.

Alles Liebe und ultreia


Silla

Dienstag, 9. Oktober 2012

Palas de Rei

Hola zusammen,
heute wieder nur ein kurzer Post, da kaum Netzempfang und mit Handy.
Wir sitzen gerade in Palas de Rei in einer Tapasbar und sind total vollgefuttert. Das haben wir uns heute aber redlich verdient. 26 km über Stolpersteine und größtenteils an Straßen entlang. Dazu startete der Tag schon mit einem kräftigen galicischen Regenschauer. Diese Regenschauer haben uns dann den ganzen Tag immer wieder begleitet und trotz Regencape sind wir ziemlich nass geworden. Umso mehr freuen wir uns gleich auf unser hellhöriges, kleines Doppelzimmer mit wackeligem Klo. Es war mal wieder alles ausgebucht und voll. Hätten wir nicht gestern noch dieses Hotel ergattert, hätten wir wohl heute gar kein Bett. Also "Gute Nacht!"

Ultreia

Silla

Montag, 8. Oktober 2012

Portomarin

Hola zusammen,

ich schreibe euch heute aus Portomarin, einem Dorf in Galicien, dessen Ruinen wir heute in den Resten des Stausees bewundern konnten, der beim letzten Mal, als ich hier war, voll gefuellt war.

Das urspruengliche Dorf musste dem Stausee weichen und nun gibt es ein neueres Dorf oberhalb des Stausees. Die Kirche wurde Stein fuer Stein wieder aufgebaut und damit auch alles passt,  sind alle Steine numeriert.

Gestern Abend hatten wir in Sarria in der Altstadt (die eigentlich nur aus einer langen Gasse besteht) soviel Spass, dass ich mich nicht aufraffen konnte, noch zu bloggen.
Es spielte Real Madrid gegen den FC Barcelona. Meine Guete war da was los. Die Einheimischen waren fuer Barcelona und die spanischen Pilger ueberwiegend fuer Madrid. Wir haben uns kaputtgelacht, wie die Spanier abgegangen sind. Aber es war alles friedlich, nur halt meeeegalaut und jedes Tor wurde erstmal eine Viertelstunde lautstark ausdiskutiert.

Der Kellner war voellig ueberfordert, dass seine Bar auf einmal so voll war und auf dem Platz vor der Bar alle standen und auch noch essen und trinken wollten. Bis das Essen kam, dauerte es so manches mal schon eine Stunde. Wahrscheinlich kam der Koch nicht vorm Fernseher weg ;-)
Wir haben noch einige Pilgerfreunde in Sarria wiedergetroffen und haben dann nett beim Vino tinto und Cerveza zusammengesessen. Unsere japanischen Mitpilger Momo und Juschin (keine Ahnung, ob ich das richtig geschrieben habe) haben uns zwei Origamivoegel als Andenken geschenkt. Absolut winzig. Unglaublich, dass man soooooo klein falten kann.

Die gestrige Etappe war landschaftlich wunderschoen. Wir sind im Dunkeln aus unserem Pilgerpalast aufgebrochen um unser Fruehstueck mit Blick auf das Kloster Samos einzunehmen.
Dort sind wir mit zwei amerikanischen Freundinnen so dermassen ins Quatschen gekommen, dass wir uns richtig aufraffen mussten, weiterzulaufen. Die beiden waren wirklich zu lustig. Eine von ihnen war zum Camino aufgebrochen und die andere hat ihr dann nach ein paar Tagen eine sms gesendet mit den Worten: "bin am 30.09. da, warte auf mich" und so haben die beiden sich auf dem Camino getroffen und laufen nun gemeinsam weiter. Sie machen sich daraus einen Riesenspass und fragen wirklich jeden aus, warum er auf dem Camino unterwegs ist. Die Geschichten hoeren sie sich dann an und kriegen sich vor Begeisterungsrufen ueberhaupt nicht mehr ein. " Wonderful, how romantic, oooohhhhhh, how sad......." Zum Schiessen die beiden.
Linda (das ist die Freundin, die nachgeflogen ist) befuerchtete gestern schon, dass sie wieder ein Taxi nehmen muessten, weil ihre Freundin Bobbie nicht aus dem Quatschen rauskommt und ihre Rucksaecke aber schon in der naechsten Herberge standen.

Guido und ich sind dann weitergezuckelt und haben die Landschaft genossen. Man kommt durch viele kleine urspruengliche Doerfer oder Einzelhoefe und man geht durch unberuehrte Natur. Einfach herrlich. Leider war die Luft sehr schwuel, so dass ich schniefend (immer noch Erkaeltung) und schnupfend die Steigungen hochgekrochen bin. Es war sooooo warm. Aber ich darf mich ja nicht beschweren. Ich habe gehoert, in Deutschland regnet es und ist saukalt.

In Sarria haben wir dann die erste Herberge genommen, die ein Bett frei hatte. Was wir haben, das haben wir (dachten wir). Leider haben wir nicht beruecksichtigt, dass diese Herberge nur 1 Toilette fuer 20 Leute hatte und die war so klein, dass zwischen Klo und Wand ca. 30 cm Abstand war. Sehr schoen fuer grosse Leute ;-). Aber sauber war es und das ist das Wichtigste. Man sieht immer mehr Pilger mit Bettwanzenbissen.
Das waere echt der Horror.
Heute Morgen wurde ich dann von einer Mitpilgerin angesprochen, ob ich etwas in der Herberge vergessen habe. Jemand haette sie gefragt, der mit uns dort uebernachtet hatte. Er haette noch etwas gefunden.
Ich verneinte, doch als ich vorhin meinen Rucksack ausgepackt habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Sch...., ich hatte meinen BH auf der Leine haengen lassen (keine Angst, ich habe noch Ersatz ;-)), weil das das einzige Teil war, was nicht in die Maschine und den Trockner gewandert ist.
Gerade habe ich sie wiedergetroffen und sie lachte und sagte:"Ja, es war ein BH", leider ist derjenige, der ihn gefunden hat, schon weitergelaufen, weil er hier kein Bett bekommen hat.
Nun laeuft ein William aus England mit meinem BH ueber den Camino. Da er weitergelaufen ist, wird mein BH wahrscheinlich eher in Santiago ankommen, als ich. Ich koennte mich wegkringeln.

Auch wir tragen seit Tagen eine Sonnenbrille mit uns herum., die wir gefunden haben. Als wir dachten, wie haetten die Eigentuemerin gefunden, sagte sie nur, dass die Sonnenbrille schon da gelegen hat, als sie in die Albergue kam. Schade....so werden wir die Eigentuemerin wohl nie finden.

Aber es gibt auch schoene Geschichten vom Verlieren und Wiederfinden. Jessie hatte einen Wanderstock, den sie Dante genannt hat. Eines Morgens in der Albergue war Dante weg (die Stoecke stehen oft gesammelt in einer Art Riesenvase). Jessie war soooo traurig und sagte immer nur "Where is Dante?" Im naechsten Ort am Ortseingang stand Dante an einem Baum mit einem Zettel.
Auf dem Zettel eine Entschuldigung, dass derjenige versehentlich den falschen Stock genommen hat und er hofft, dass der Stock wieder zu seinem richtigen Eigentuemer kommt.

Das ist Camino live :-)

So langsam aber sicher naehern wir uns Santiago. Es sind keine 100 km mehr und so langsam aber sicher, kann ich das Pilgern auch wieder geniessen. Dieses Mal ist es mir wirklich sehr schwer gefallen in den "Pilgermodus" zu kommen. Ich empfinde den Camino dieses Mal eher touristisch.
Die letzten 100 km sind es sowieso. Es sind wieder Massen unterwegs. Bei den Spaniern ist es guter Brauch die letzten 100 km nach Santiago zu gehen, um die Compostela zu bekommen.
Entsprechend voll ist es jetzt. Ich habe gehoert, dass spanische Firmen sogar bei Einstellungen darauf achten, ob der Bewerber/die Bewerberin den Camino gegangen ist.

Grundsaetzlich kein schlechtes Kriterium, aber dann nur fuer die, die mehr als 100 km gegangen sind.
Wenn man weiss, dass jemand sich sagen wir mal mind. 300 bis 400 km durchgeschlagen hat, dann zeugt das zumindest schon mal von Durchhaltevermoegen und Organisationstalent.
Vielleicht sollten wir das in Deutschland auch mal einfuehren ;-)

Unsere groesste Freude heute war, dass wir Jessie und Jamie wiedergetroffen haben. Sie sassen einfach auf einer Mauer am Strassenrand. Das war ein Wiedersehen! Gekreische, Gejubel, Umarmungen.
Absolut grossartig. Ich habe die beiden sooooo vermisst. Sie sind uns total ans Herz gewachsen.

Wenn alles klappt werden sie uns noch Ende Oktober besuchen kommen. Sie sind in Hamburg und von dort aus ist es ja quasi nur ein Katzensprung. Sie haben ja viel Zeit Europa zu entdecken und dann in England oder Schottland einen Job zu suchen.

Heute Abend werden wir von Ihnen bekocht. Total suess.
Jamie hat mir auch gerade sein Notebook geliehen, deswegen kann ich so entspannt den Post schreiben.

Der Arme muss die ganze Zeit sein Notebook mitschleppen, da er noch eine Abschlusspruefung fuer sein Schauspielstudium schreiben muss und das wird stattfinden, wenn er mit Jessie noch in Barcelona ist. Er muss Urheberrecht auf dem Camino pauken, der Aermste.

Ich schaue mal, ob es hiermit klappt, ein paar Fotos hochzuladen. Oh, es klappt.
Also hier die Erlaeuterungen.
Der uralte Baum, den Guido und ich umarmen, ist die alte Kastanie in Ramil. Sie soll lt. Schild 800 Jahre alt sein, lt einiger Reisefuehrer 1.000 Jahre alt und lt Reisefuehrer einer Mitpilgerin 1.700 Jahre. Sucht euch also ein Alter aus.

Dann gibt es ein Foto vom Kloster Samos.

Eine alte, verlassene, schaurig-schoene Muehle.

Der Kilometerstein 99 (noch 99 km bis Santiago, aber lt Reisefuehrer stimmen die Markierungen nicht ganz)

Bauernhofidylle. Der Hof heisst Sivil / wie sympathisch

Die Origamivoegel

Abendessen in Sarria mit unseren Mitpilgern Momo, Jutschin und Annie

Guido beim Fussballgucken

Jessie mit den Einkaeufen fuer unser sicherlich wundervolles Abendessen heute Abend



Ultreia

Silla





































Samstag, 6. Oktober 2012

Im Nirgendwo hinter Triacastela

Hola zusammen,
ich hoffe, das Sendesignal reicht, um diesen kurzen Post zu veröffentlichen.
Wir sitzen in einer Herberge im Niemandsland zwischen Triacastela und Samos. Eigentlich sollte unsere Etappe nur bis Triacastela gehen, aber das komplette Dorf war ausgebucht, weil einige größere Reisegruppen dort abgestiegen sind. Das sind die organisierten Pilgerschnuppertouren. Eine Gruppe wurde von Raimund Joos geführt, dem Autor des Outdoor Pilgerreiseführers. Guido hatte gestern schon ein Gespräch mit ihm
und heute hat er uns dann in diese Herberge gelotst, sonst hätten wir 10 km dranhängen müssen. Nun sitzen wir in einem alten, umgebauten, sehr kalten Palast und nach und nach trudeln alle die ein, die in Triacastela keinen Platz bekommen haben. Keine Möglichkeit einzukaufen. Die Hospitaliera hat uns vorhin ein Baguette besorgt und eine Flasche Wasser. Zusammen mit unserer Thunfischdose eine fürstliche Mahlzeit ;-) Gerade hat es angefangen zu regnen. Willkommen in Galicien, der regenreichsten Region Spaniens ;-)

Ultreia

Silvia

Freitag, 5. Oktober 2012

O Cebreiro

Nun ist es also passiert. Es hat mich total erwischt. Heute Nacht habe ich mich gegen Mitternacht mit meinem Schlafsack unterm Arm aus unserem Schlafraum in die Küche der Herberge verpieselt, weil ich die anderen nicht durch mein ständiges Schniefen und Husten wecken wollte. Gestern Nacht wechselten sich Schüttelfrost und Schwitzattacken ab. Ich habe in der Küche auf der Couch (Gott sei Dank stand in der Küche diese Couch) gelegen und war echt verzweifelt. Ich wusste, der Aufstieg zum O Cebreiro stand für heute auf dem Plan. Eine traumhafte Etappe, aber mindestens so anstrengend wie der gestrige Camino duro. Heute Morgen war ich dann immer noch hin- und hergerissen. Laufen? Rucksack transportieren lassen? Bus? Da ich aber weiß, dass man bei Erkältungen mit Überbelastungen vorsichtig sein soll, habe ich mich dann doch spontan entschlossen, den Bus zu nehmen. Er fuhr in ein Bergdorf in der Nähe von O Cebreiro. So hatte ich dann nur 1 Std Aufstieg. Ich saß im Bus und hätte heulen können. Aber ich habe allen versprochen, auf mich aufzupassen und gesund wiederzukommen. Da musste dann mal die Vernunft siegen. Die Stunde Aufstieg hat mir dann auch gezeigt, dass das die richtige Entscheidung war. Mir wurde so manches Mal ein wenig schwindelig und zittrig in den Beinen. Und dass obwohl mein Rucksack um einige hundert Gramm leichter ist, denn wir haben gestern in Villafranca tatsächlich noch eine Post gefunden, die geöffnet hatte und da haben wir ein Paket postlagernd nach Santiago geschickt mit überflüssigem Ballast. Fast 4 kg haben wir zusammenbekommen. Dadurch, dass es auch in den nächsten Tagen so warm bleiben soll, war das schwerste überflüssige Teil die Innenjacke meiner Doppeljacke. Man merkt es beim Tragen deutlich.

Hier in O Cebreiro haben Guido und ich heute ein Doppelzimmer genommen, damit ich keinen (außer Guido) mit meinem Husten und Schniefen störe. 40€ für ein Minizimmer mit Schimmel an den Wänden. Der Zimmernachbar hat gerade Bettwanzen in seinem Bett gefunden. Na toll.... Das ist die erste Inspektion, die ich hier immer mache. Mit den Bettwanzen ist ein großes Problem im Sommer. Und wenn es jemanden erwischt und er merkt es nicht sofort, dann sind die Sauviecher schon mit dem Pilger in die nächste Herberge gewandert. So passiert es, dass selbst in den teuren Privatzimmern Bettwanzen vorkommen.
Da gruselt es mir echt vor. Bbbbbrrrrrr.

Guido ist die heutige Etappe gewandert und ist vor 1 Std hier angekommen. Wir werden uns gleich auf die Suche nach einem Abendessen begeben. O Cebreiro ist ein keltisches Dorf mit urigen Häusern und dauernd wird man von Dudelsackmusik beschallt. Obwohl es hoch in den Bergen liegt, ist es sehr touristisch. Bekannt wurde es durch das Hostienwunder (genaue Erklärung in meinem ersten Blog ;-)).

Die alte Kirche ist sehr schön und der Ausblick über die Berggipfel atemberaubend.

Ich hoffe, dass ich morgen wieder so weit fit bin, dass ich die nächste Etappe schaffe. Drückt mal die Daumen.

Ultreia

Silla